29.03.2009

Sechste Preliminary Motion

In einer "preliminary motion" vom 25. März 2009 werden durch Radovan Karadžić Forderungen nach der Streichung von insgesamt vier Paragraphen der Anklageschrift erhoben, welche ihm direkte Verantwortlichkeit nach Artikel 7(1) des Statuts für diverse Tatbestände vorwerfen. Dabei wird diese direkte Verantwortlichkeit jeweils über Versäumnisse bzw. Unterlassungen ("omissions") seinerseits hergestellt - was Karadžićs Darstellung zufolge die bestehenden Vorgaben internationalen Rechts übersteigt. Im Rahmen der "preliminary motion" legt er dar, dass "Verantwortlichkeit durch Unterlassung" lediglich als Straftatbestand gemäß der Verantwortung als Vorgesetzter (beispielsweise durch die unterlassene Bestrafung von Untergebenen, welche Verbrechen begingen) und somit gemäß Artikel 7(3) des ICTY-Statuts anerkannt und etabliert sei. Hinsichtlich der direkten und persönlichen Verantwortung eines Angeklagten sei hingegen entsprechend vorhergehenden Entscheidungen des ICTY und anderer Gerichtshöfe immer ein aktiv bzw. entscheidend zur jeweiligen Tat beitragendes Element erforderlich. Es sei letztendlich die Aufgabe der Anklagevertretung, die völkerrechtliche Basis für die erhobenen Anklagepunkte darzulegen, und nicht etwa jene des Angeklagten, deren Fehlen nachzuweisen. Ersteres ist Karadžić zufolge jedoch in dieser Frage nicht geschehen.

Die Anklagevertretung tätigte am 07. April 2009 eine Eingabe in Erwiderung auf Karadžićs "preliminary motion", in welcher sie erläutert, dass die Herstellung individueller Verantwortung sehr wohl auch über Versäumnisse des Angeklagten, d.h. die Vernachlässigung einer gegebenenfalls bestehenden Pflicht, zu handeln, möglich sei. Dies stehe auch durchaus in Einklang mit bestehenden völkergewohnheitsrechtlichen Vorgaben. Keineswegs sei für eine Anklageerhebung wegen persönlicher Verantwortlichkeit auf Grund von Versäumnissen, wie von Karadžić ausgeführt, die Anwesenheit des Angeklagten am Tatort, sowie seine offensichtliche Befürwortung der verübten Verbrechen erforderlich. Beihilfe zur Tat, strafbar nach Artikel 7(1) des Statuts, könne demgemäß auch ausschließlich durch Versäumnisse des Angeklagten nachgewiesen werden, sofern eine direkte Verbindung zwischen den Unterlassungen und dem begangenen Verbrechen besteht.

Am 14. April 2009 ersuchte Karadžić um Erlaubnis, sich neuerlich zu den Argumenten der Anklagevertretung zu äußern. In seiner dem Antrag beigefügten Erwiderung führt er aus, dass es der Anklage seiner Ansicht nach keineswegs gelungen sei, eine völkergewohnheitsrechtliche Strafbarkeit auf Grund von Verantwortlichkeit durch Unterlassung, abgesehen von jener als Vorgesetzter und damit gemäß Artikel 7(3) des Statuts, stichhaltig nachzuweisen. Vielmehr werde aus der Eingabe der Anklagevertretung mehr als deutlich, dass eine Anklage bezüglich Unterlassung nach Artikel 7(1) des Statuts auf unzureichenden rechtlichen Grundlagen basiere.

siehe:

Accused's motion for leave to reply and reply brief: preliminary motion on lack of jurisdiction concerning omission liability (14.04.2009)
Prosecution response to "preliminary motion on lack of jurisdiction concerning omission liability" (07.04.2009)
Preliminary motion on lack of jurisdiction concerning omission liability (25.03.2009)