22.05.2009

Antrag auf Einstellung des Verfahrens - "Holbrooke Agreement"

Am 25. Mai 2009 wurde durch Radovan Karadžić sein bereits seit langem angekündigter Antrag auf Einstellung des Verfahrens auf Grund eines angeblich mit Richard Holbrooke 1996 geschlossenen Amnestie-Abkommens eingebracht. Die Frist für die Fertigstellung des 139-seitigen Dokuments wurde in den letzten Wochen mehrfach verlängert, nachdem sich die Übergabe von benötigten Unterlagen durch die US-Regierung, sowie auch die Kooperation mit dem schwedischen Außenminister und ehemaligen High Representative für Bosnien und Herzgovina, Carl Bildt, verzögerten. Ungeachtet der zwangsläufig kürzer angesetzten Frist forderte die Strafkammer die schwedische Botschaft in Den Haag auf, bis spätestens 01. Juni 2009 auf die Schreiben Karadžićs, in welchen dieser um ein Interview mit Carl Bildt bittet, zu antworten. Weiters wurde die Botschaft eingeladen, einen Repräsentanten zur bevorstehenden Status Conference am 03. Juni 2009 um 14:15 Uhr zu entsenden.

Neben der Antwort der schwedischen Regierung ist auch eine Anordnung der Kammer, die durch die US-Regierung übergebenen Informationen wie gefordert unter Rule 70 der RPE einzuordnen, noch ausständig. Darüber hinaus wurde durch Karadžić ein neuerliches Gesuch an die Anklagevertretung gestellt, sämtliche Unterlagen in Zusammenhang mit dem angeblichen Treffen zwischen Chefanklägerin Louise Arbour und NATO-General Wesley Clark offenzulegen. Angesichts von Aussagen der zur Zeit vor dem ICTY wegen Missachtung des Gerichts angeklagten früheren Mitarbeiterin von Chefanklägerin Carla Del Ponte, Florence Hartmann, bezweifelt Karadžić ungeachtet diesbezüglich bereits erfolgter Versicherung der Anklage, dass dieser tatsächlich keinerlei derartige Materialien vorliegen.

Wie bereits unmittelbar nach seinem ersten Erscheinen vor Gericht, stellt Karadžić das Abkommen in vielerlei Hinsicht übereinstimmend mit Holbrooke selbst dar. Anstelle des von Holbrooke als Gegenzug für Karadžićs Rückzug aus Politik und Öffentlichkeit angeführten Verzichts auf einen Ausschluss seiner Partei SDS von den Wahlen in BiH 1996, beharrt Karadžić jedoch darauf, dass die Vereinbarung seine Verfolgung vor dem ICTY ausschloss. Auch wenn Holbrooke möglicherweise nicht zum Abschluss eines derartigen Übereinkommens berechtigt war, sieht Karadžić angesichts der Tatsache, dass dieser zumindest glaubhaft vorgab, als Vertreter des UN-Sicherheitsrats die entsprechende Befugnis zu haben, Gründe für eine Niederlegung des Verfahrens auf Grund des Abkommens bzw. alternativ auf Grund des andernfalls seiner Ansicht nach vorliegenden Prozessmissbrauchs ("abuse of process"), welcher die Integrität des ICTY beeinträchtigt, gegeben.

Karadžić ersucht die Strafkammer um Ansetzung einer speziellen Anhörung, in deren Zuge die genauen Umstände des Abkommens durch die Vorladung von Zeugen geklärt werden sollen. Er beabsichtigt dabei, Momčilo Krajišnik und Aleksa Buha, welche beide bei der relevanten Zusammenkunft 1996 anwesend waren, als Zeugen heranzuziehen.

Die Existenz des Abkommens bzw. die Tatsache, dass den bosnisch-serbischen Vertretern glaubhaft zugesichert wurde, dass Karadžić auf Grund der Unterzeichnung des Abkommens keine Anklage durch das Tribunal zu fürchten habe, werden laut Karadžić durch eine Anzahl von Dokumenten und Abschriften diplomatischer Korrespondenz untermauert. Diese wurden dem Antrag als Anhang beigefügt.

siehe:

Holbrooke agreement motion (25.05.2009)
Motion for further explanation from the prosecution concerning General Wesley Clark (21.05.2009)
Motion for request for cooperation to United Nations : Holbrooke agreement (21.05.2009)
Third motion for order pursuant to Rule 70 (21.05.2009)