Obwohl nach wie vor kein Antrag auf Veränderung der vorliegenden Anklage eingebracht wurde, und Karadžić durch Richter Bonomy über seine Rechte im Fall einer späteren Veränderung aufgeklärt wurde, weigerte sich der Angeklagte im Rahmen der neuerlichen Initial Appearance erwartungsgemäß, sich schuldig oder nicht schuldig zu bekennen. Er versuchte, die Erwiderung auf die Anklage durch Verweis auf die neue Anklageschrift, sowie die Tatsache, dass bis zu deren Fertigstellung auch sein Beraterteam vollständig zusammengestellt sein würde, weiter hinauszuzögern. Entsprechend dem Regelwerk des ICTY fragte Bonomy dennoch nach seinem Bekenntnis in Hinblick auf den ersten Anklagepunkt, Völkermord. Nachdem Karadžić sich nicht dazu äußerte und angab, dies auch in Bezug auf die zehn weiteren Punkte der Anklage tun zu wollen, plädiert das Gericht an seiner Stelle in Bezug auf die gesamte Anklage auf nicht schuldig. Auf Richter Bonomys diesbezügliche Erklärung hin erwiderte Karadžić scherzhaft, er würde "lieber am Ende des Verfahrens, als an dessen Beginn" von Bonomy hören, dass er nicht schuldig sei. Gleichzeitig warf er dem ICTY jedoch vor, "kein Gericht der internationalen Gemeinschaft, sondern ein Gericht der NATO" zu sein, die darauf ziele, ihn zu liquidieren. Er habe aufgehört, einen falschen Namen zu benutzen - dementsprechend erwarte er, dass das alle Beteiligten tun würden.
Bonomy rief Karadžić gerade auch in Hinblick auf seine zahlreichen Eingaben an das Gericht in den letzten Wochen dazu auf, sich an die standardmäßigen Vorgangsweisen zu halten, da dies das Verfahren wesentlich erleichtern würde. Insbesondere habe der Angeklagte erst nach der nun erfolgten Erwiderung auf die Anklage, und die daraufhin für nächste Woche erwartete Übergabe aller Beweismaterialien, welche die Anklage unterstützen an ihn, das Recht, entsprechend Rule 72 der RPE Einreichungen in Form von preliminary motions zu tätigen, welche die Zuständigkeit des Gerichts, sowie die erhobene Anklage an sich infrage stellen würden. Diese Einreichungen dürfen nicht später als 30 Tage nach der Offenlegung aller Materialien durch die Anklage erfolgen; sie wären also bei Offenlegung Ende der kommenden Woche etwa bis spätestens 6. Oktober zu tätigen.
Diesbezüglich betonte der Richter, dass bisher zwar sämtliche schriftlichen Eingaben Karadžićs tadellos verständlich und daher bearbeitbar gewesen wären, dass dies jedoch ohne Rechtsvertreter und bei zunehmender Komplexität der behandelten Angelegenheiten möglicherweise schwieriger werden könnte. Nachdem es hilfreich sei, bei Abfolge und Formulierung derartiger Eingaben den üblichen Prozeduren zu folgen, werde Karadžić daher durch die Registry ein Mitarbeiter zur Verfügung gestellt, welcher Hilfestellung beim Verfassen schriftlicher Anträge leisten solle. Dieser stellt keinen Rechtsberater dar, sondern unterstützt ausschließlich in Hinblick auf formelle Aspekte. Die Entscheidung, inwieweit er diese Hilfe in Anspruch nimmt, liegt jedoch letztendlich bei Karadžić selbst.
Abschließend richtete Bonomy einige scharfe Fragen bezüglich der langen Verzögerung bei der Fertigstellung der überarbeiteten Anklageschrift an die Vertreter der Anklage. Diese hatten die Herausgabe des Schriftstücks etwa für die letzte Septemberwoche angekündigt - Bonomy meinte hierzu, er hoffe, dass dieses späte Datum nicht wirklich ernst gemeint sei. Er zeigte sich überrascht, dass die Anklage in einem so aufsehenerregenden und für die Existenz des ICTY an sich so wesentlichen Fall erst überarbeitet werde, wenn sich der Angeklagte bereits in Haft befindet, anstatt regelmäßig auf den neuesten Stand gebracht zu werden. Die Erklärungen der Anklagevertreter, dass eine größere Anzahl an relevanten Prozessen, die seit 2000 stattgefunden hätten, eingearbeitet werden müsste, hatte dem nichts entgegenzusetzen - zeigt jedoch immerhin, dass die kursierenden Verschwörungstheorien, die internationale Gemeinschaft hätte durchgehend über Karadžićs Aufenthaltsort Bescheid gewusst und nur auf einen (für sie) idealen Zeitpunkt für seine Festnahme gewartet, eher haltlos sind. In diesem Fall wäre die Anklage vermutlich wesentlich früher über den zu erwarteten Verfahrensbeginn informiert gewesen.
Für den 17. September um 14:15 wurde entsprechend Rule 65bis der RPE eine Statuskonferenz aller beteiligten Parteien anberaumt, in deren Rahmen der Angeklagte unter anderem sämtliche Themen ansprechen kann, die ihn in Hinblick auf das Verfahren beschäftigen und bis dahin noch nicht beantwortet wurden.
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