13.11.2008

Antrag auf Offenlegung hinsichtlich des Abkommens mit Holbrooke

In einem Gesuch an die Strafkammer vom 05. November 2008 beantragt Radovan Karadžić den Erlass einer Weisung an die Anklagevertreter, derzufolge alle vorliegenden Materialien und Informationen, welche mit dem Abkommen zwischen ihm bzw. Slobodan Milošević und Richard Holbrooke im Juli 1996 in Zusammenhang stehen, offengelegt werden müssen. Karadžić beruft sich dabei auf Rule 66(B) der RPE, welche festlegt, dass der Verteidigung Zugang zu "allen Materialien, welche der Vorbereitung der Verteidigung dienen", gewährt werden müsse. Darüber hinaus legt Rule 68 der RPE fest, dass "der Ankläger schnellstmöglich sämtliche Materialien an die Verteidigung übergeben müsse, welche seines Wissens die Unschuld oder eine Milderung der Schuld des Angeklagten nahelegen." Karadžić hatte sich seiner Darstellung zufolge zunächst in Übereinstimmung mit der in derartigen Fällen korrekten Vorgangsweise am 14. Oktober 2008 direkt an die Anklage gewandt, welche das Ansuchen jedoch am 23. Oktober 2008 "erwartungsgemäß" ablehnte, und lediglich die Offenlegung von Materialien in Zusammenhang mit Karadžićs Rückzug aus der bosnisch-herzegovinischen Politik zugestand.

Konkret fordert Karadžić Einsicht in sämtliche Unterlagen und Informationen, welche in Zusammenhang mit

1) dem am 18. oder 19. Juli getroffenen Abkommen und seinen konkreten Begleitumständen und eventuellen Auswirkungen,

2) der tatsächlichen oder scheinbaren Befugnis Richard Holbrookes, ein derartiges Abkommen im Namen der internationalen Gemeinschaft zu vereinbaren,

und

3) der Beziehung der USA mit dem Büro des Chefanklägers (Office of the Prosecutor; OTP) zum Zeitpunkt des Abkommens

stehen.

Angesichts der Tatsache, dass die USA gerade in der Anfangsphase der Tätigkeit des ICTY vergleichsweise große Mittel zu dessen finanzieller und materieller Unterstützung - gerade auch durch die Bereitstellung qualifizierten Personals, insbesondere für das OTP - aufbrachten, spielt der dritte Punkt in der Auflistung wohl vor allem auf eine potentielle Einflussnahme politischer und diplomatischer Interessen der USA auf die Anklagetätigkeit in jenen ersten Jahren an.

Karadžićs Ausführungen zufolge ist das Abkommen entgegen der Erwiderung der Anklage auf seine erste diesbezügliche Eingabe durchaus insofern rechtskräftig, als dass Holbrooke dieses als tatsächlicher oder jedenfalls zu jenem Zeitpunkt begründet glaubhafter Vertreter der Mitgliedsstaaten des UN-Sicherheitsrats geschlossen habe. Generell spricht laut seiner durch Beispiele untermauerten Darstellung entsprechend geltendem internationalen Recht auch nichts dagegen, ungeachtet der grundlegenden Verpflichtung, Völkermord und andere Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu verfolgen, von einer Strafverfolgung gegen einzelne Personen abzusehen und somit eine individuelle Amnestie zu gewähren. Karadžić ist bestrebt, sein angebliches Abkommen mit Holbrooke als derartige Amnestievereinbarung, welche im Namen des UN-Sicherheitsrates - und damit einer Institution, deren Entscheidungen unmittelbare rechtliche Relevanz für die Arbeit des ICTY aufweisen - getroffen wurde, anerkannt zu sehen.

siehe:

Motion for inspection and disclosure: Holbrooke Agreement (06.11.2008)