In einer am 18. März 2009 eingebrachten "preliminary motion" fordert Radovan Karadžić die Streichung von Anklagepunkt 11, der Geiselnahme von UN-Personal als Verstoß gegen die Gesetze oder Gebräuche des Krieges, strafbar nach Artikel 3 des ICTY-Statuts. Die Anklage bezieht sich hier auf die Geiselnahme von mehr als 200 Angehörigen der UN-Friedenstruppen zwischen Mai und Juni 1995, welche an strategisch und militärisch bedeutenden Stützpunkten der bosnisch-serbischen Armee festgehalten wurden, um die NATO mittels der damit verbundenen Gefährdung von UN-Personal zum Abbruch ihrer am 25. und 26. Mai 1995 gegen bosnisch-serbische Ziele geflogenen Luftangriffe zu zwingen.
Karadžić legt im Rahmen der "preliminary motion" dar, dass sich die Vorgaben geltenden Völkerrechts überwiegend auf die unrechtmäßige Geiselnahme von Zivilisten beschränken würden. Seiner Ansicht nach hätte die Anklage durch die Einordnung des Anklagepunkts unter Artikel 3 des Statuts bewusst die wesentlich konkreter formulierten Vorgaben von Artikel 2 (Schwere Verstöße gegen die Genfer Konventionen von 1949) umgehen wollen, welche sich hinsichtlich Geiselnahmen lediglich auf entsprechende Verbrechen an Zivilisten beziehen. Die dem elften Anklagepunkt zugrunde liegenden Regelungen seien zwar über Artikel 3 des Statuts auf den Gemeinsamen Artikel 3 der vier Genfer Konventionen zurückzuführen, welcher die Geiselnahme von "Personen, die nicht direkt an den Feindseligkeiten teilnehmen" verbietet - sich dabei allerdings nur auf nicht-internationale Konflikte bezieht. Karadžićs Ausführungen zufolge wäre angesichts der zumindest in Hinblick auf Anklagepunkt 11 seiner Ansicht nach unbestreitbaren Internationalität des Konflikts (auf Grund der zu diesem Zeitpunkt stattfindenden NATO-Luftangriffe, welche einen integralen Anteil am dem Anklagepunkt zu Grunde liegenden Geschehen hatten) eine Anklage nach Artikel 2 des Statuts die logischere Wahl gewesen - diese wurde jedoch wegen der Nichtanwendbarkeit auf UN-Angehörige, welche als (mutmaßliche) Kriegsteilnehmer nicht durch dessen Vorgaben abgedeckt würden, zu Recht verworfen.
Nach Karadžićs Ausführungen bilden die in Artikel 3 des Statuts widergespiegelten, vergleichweise vagen Vorgaben des Gemeinsamen Artikel 3 auf Grund dessen ihm zufolge nicht gänzlich unumstrittener Anwendbarkeit auf alle gewalttätigen Konflikte - ungeachtet ihrer (Nicht-)Internationalität - eine relativ schwache Basis für den elften Anklagepunkt. Seiner Ansicht zufolge können die festgehaltenen Angehörigen des UN-Personals lediglich als Kriegsgefangene betrachtet werden, wodurch eine Anklage wegen Geiselnahme unzulässig werde. Die Anklageerhebung unter Artikel 3 des Statuts stelle somit den "waghalsigen Versuch einer Ausdehnung der Jurisdiktion des ICTY" "durch die analoge Anwendung eines an Zivilisten strafbaren Tatbestandes auf Kriegsteilnehmer bzw. -gefangene" dar, welcher weder durch völkerrechtliche Vorgaben, noch die bisherige Praxis des ICTY und ICTR gedeckt sei.
siehe:
Accused's preliminary motion to dismiss count 11 for lack of jurisdiction (18.03.2009)