Am 19. und 20. März 2009 wurden durch Radovan Karadžić zwei weitere "preliminary motions" eingebracht, welche beide wie auch schon die zweite "preliminary motion" in Zusammenhang mit den ihm vorgeworfenen "gemeinschaftlichen kriminellen Unternehmungen" (Joint Criminal Enterprise, JCE) stehen. Während ihm im Rahmen der Anklageschrift die Beteiligung an insgesamt vier miteinander in Zusammenhang stehenden, jedoch grundsätzlich voneinander getrennten JCEs angelastet wird, fordert Karadžić in seiner vierten "preliminary motion", diese bis auf das die Geschehnisse während des Bosnienkrieges in ihrer Gesamtheit überspannende JCE zu streichen. Als Argumente dafür nennt er einerseits die Tatsache, dass bisher in keinem Fall vor dem Tribunal die Beteiligung an mehr als einem JCE verhandelt wurde, sowie die aus dieser Ausgestaltung der Anklage resultierende, zusätzlich erhöhte Komplexität des ohnehin schon sehr umfangreichen Verfahrens. Nachdem die drei untergeordneten JCEs (Attacken auf die Zivilbevölkerung Sarajevos, Vertreibung und Ermordung der Bewohner Srebrenicas, Geiselnahme von UN-Personal) in der Anklage jeweils mit dem übergeordneten JCE in Verbindung gebracht werden, und somit zwangsläufig und bewusst Überlappungen hinsichtlich der Mittel und Ziele der JCEs bestehen, betrachtet Karadžić ihre getrennte Behandlung als eigenständige JCEs als unangebracht. Die Parallelen und Überschneidungen zwischen den vier JCEs werden in einer als Anhang der "preliminary motion" beigefügten Tabelle minutiös aufgelistet.
Die fünfte "preliminary motion" vom 20. März 2009 kritisiert angebliche Ungenauigkeiten der Anklage hinsichtlich der konkreten Mitglieder der einzelnen JCEs, sowie sonstiger Beteiligter. Karadžić zufolge sind die Identitäten jener Personen, welche in mehreren Paragraphen der Anklage lediglich mit Begriffen wie "die bosnisch-serbische Führung" oder "lokale Angehörige der SDS" beschrieben werden, nicht ausreichend erkennbar. Im Vergleich mit anderen Anklagen und Urteilen vor dem ICTY zeige sich, dass weitere Mitglieder der JCEs oder für einzelne Verbrechen verantwortliche Personen dort größtenteils sehr wohl jeweils eindeutig benannt wurden, oder zumindest eindeutig identifizierbaren Personengruppen zugeordnet werden können. Die Strafkammer solle die Anklagevertretung daher auffordern, die Anklage entsprechend einer im Anhang gelisteten Übersicht derartig ungenügender Formulierungen zu konkretisieren.
Die Anklagevertretung erklärte in ihrer am 03. April 2009 eingebrachten Entgegnung auf die "preliminary motion" vom 20. März 2009, dass die Anklageschrift gemäß der Praxis des ICTY eine verständliche und prägnante Zusammenfassung der Vorwürfe gegen den Angeklagten bieten solle. Während dieser meist durchaus ein Anrecht auf detailliertere und ausführlichere Informationen, beispielsweise zu den an den JCEs beteiligten Personen und sonstigen Tätern, habe, wäre deren Darstellung auch im Rahmen anderer Schriftstücke vorgesehen. Beispielshaft nennt die Anklage hier das vorläufige und endgültige Pre-Trial-Brief, die Zeugen- und Beweismittellisten, sowie die allgemeine Offenlegung von Beweismitteln. Das von Karadžić geforderte Ausmaß an Information bereits in die Anklageschrift einfließen zu lassen, würde deren vorgesehenen Rahmen bei weitem sprengen. Wie die Anklagevertretung durch Zitate aus der Anklageschrift belegt, sind grundlegende Informationen, wie die Namen der Mitglieder der einzelnen JCEs, sowie Kategorien von weiteren Tätern, ohnehin aus der Anklageschrift selbst ersichtlich.
Karadžić reagierte darauf am 10. April 2009 mit einer neuerlichen Eingabe, in welcher er darlegt, dass die Anklageschrift dem geltenden Standard des ICTY hinsichtlich des notwendigen Informationsgehalts keineswegs gerecht wird. Ihm zufolge stehe die, von der Anklagevertretung als Begründung herangezogene, bewusst knappe und prägnante Formulierung einer Anklageschrift keineswegs in Übereinstimmung mit der gängigen Praxis vor dem Tribunal. Vielmehr wäre die Angabe des größtmöglichen Ausmaßes an Details erforderlich. Die Komplexität seines Verfahrens solle Karadžićs Ansicht nach nicht als Entschuldigung für eine unangebracht oberflächliche Formulierung der Anklage herangezogen werden; darüber hinaus könnten detailliertere Fakten zur besseren Übersichtlichkeit auch - wie in vorhergehenden Fällen durchaus seitens der Anklage praktiziert - innerhalb eines Anhangs zur eigentlichen Anklageschrift zur Verfügung gestellt werden, sodass die durch ihn geforderte, angemessene Darstellung sämtlicher relevanten Fakten innerhalb der Anklage erreicht wird.
siehe:
Accused's motion for leave to reply and reply brief: preliminary motion alleging defect in form of the indictment jointcriminal enterprise members and non-member participants (10.04.2009)
Prosecution response to preliminary motion alleging defect in form of the indictment - joint criminal enterprise members and non-member participants (03.04.2009)
Accused's preliminary motion alleging defect in form of the indictment - joint criminal enterprise members and non-member participants (20.03.2009)
Accused's preliminary motion alleging defect in form of indictment - multiple joint criminal enterprises (19.03.2009)