17.03.2009

Zweite "Preliminary Motion"

Am 16. März 2009 brachte Radovan Karadžić hinsichtlich der geltenden Anklageschrift eine weitere "preliminary motion" ein, in welcher er die Strafkammer auffordert, sämtliche Anklagepunkte in Zusammenhang mit einer der insgesamt vier ihm vorgeworfenen "gemeinschaftlichen kriminellen Unternehmungen" (Joint Criminal Enterprise, JCE) fallen zu lassen. Er beruft sich dabei auf die Formulierungen der entsprechenden Vorwürfe, welche seiner Ansicht nach zu vage wären, um tatsächlich einen Tatbestand in Übereinstimmung mit dem Statut des ICTY darzustellen: Während die Anklage davon spricht, dass für den Angeklagten "vorhersehbar gewesen sei, dass als Folge des JCE vorher nicht geplante Verbrechen verübt werden könnten" und diese damit "eine mögliche Folge" des JCE gewesen wären, ist es Karadžićs Argumentation zufolge für das Vorliegen eines Tatbestandes im Sinne der Rechtssprechung des ICTY notwendig, dass vorher nicht abgesprochene Straftaten als "natürliche Konsequenz" der geplanten Taten und damit als "wahrscheinliche Folge" des JCE verübt wurden, um diese in die diesbezügliche Anklage mit einschließen zu können.

Er untermauert seinen Standpunkt mit Verweisen auf die nationale Rechtssprechung verschiedener Staaten, sowie auch vorhergehende Urteilssprüche des ICTY selbst, welche seiner Darstellung zufolge jeweils ein höheres Maß an Vorhersehbarkeit und Wahrscheinlichkeit des Auftretens nicht konkret abgesprochener Straftaten als Folge der ursprünglichen Planung erfordern, um diese tatsächlich in den auf letztere bezogenen Straftatbestand mit einbeziehen zu können.

Am 25. März 2009 brachte die Anklagevertretung eine Erwiderung auf Karadžićs Antrag ein, in welcher sie seiner "preliminary motion" widerspricht und deren vollständige Abweisung durch die Strafkammer fordert. Entsprechend ihren Ausführungen wurden die notwendigen Vorgaben für die Etablierung einer Verantwortlichkeit des Angeklagten, hinsichtlich der Vorhersehbarkeit und Wahrscheinlichkeit der strittigen Punkte, entsprechend der rechtlichen Anforderungen des Tribunals erfüllt.

Durch Karadžić wurde am 03. April 2009 ein Antrag auf neuerliche Beantwortung der Eingabe der Anklage gestellt, welcher bereits durch die vorgesehene Antwort ergänzt wird. Er konzentriert sich darin unter anderem auf die Frage, inwieweit die durch die Anklage angewandten Standards tatsächlich in Übereinstimmung mit der Praxis des ICTY stehen. Seiner Darstellung zufolge sei nämlich bei Betrachtung verschiedener diesbezüglicher Entscheidungen der Straf- und Berufungskammern vielmehr keine einheitliche Vorgehensweise des Gerichts erkennbar. Er erwartet daher eine Entscheidung seitens der Strafkammer, welchen Standard hinsichtlich der Anlastung von Verbrechen, welche eine "natürliche" oder lediglich eine "vorhersehbare" Folge des Verhaltens des Angeklagten darstellen, diese anzuwenden gedenkt.

Weiters verwehrt sich Karadžić gegen die vermeintlich eindeutige Feststellung der Anklagevertretung, er habe in seiner "preliminary motion" keine Angelegenheit in Zusammenhang mit der Zuständigkeit des Tribunals im engeren Sinn angesprochen, da seiner Ansicht nach das ihm vorgeworfene JCE in diesem Ausmaß keineswegs gängigem internationalem Recht entspräche und somit außerhalb der Jurisdiktion des ICTY entsprechend dem Statut liegt.

siehe:


Accused's motion for leave to reply and reply brief: Preliminary Motion To Dismiss Joint Criminal Enterprise III - Foreseeability (03.04.2009)
Prosecution response to preliminary motion to dismiss joint criminal enterprise III - foreseeability (25.03.2009)
Accused's preliminary motion to dismiss joint criminal enterprise III - Foreseeability (16.03.2009)