27.11.2008

Entscheidung der Strafkammer bezüglich Übersetzung in b/k/s

In ihrer am 25. November 2008 veröffentlichten Entscheidung gibt die Strafkammer dem Antrag Radovan Karadžićs, welcher die bisher ihm zufolge nicht erfolgte, vollständige Offenlegung der die überarbeitete Anklageschrift begleitenden Materialien forderte, teilweise statt. Die Versicherungen der Anklagevertreter, diverse angeblich noch fehlende Unterlagen bereits an den Angeklagten übergeben zu haben, wurden für glaubhaft befunden; ebenso bestätigt die Strafkammer, dass keine rechtliche Verpflichtung zur Offenlegung von Unterlagen, welche die beiden früheren Anklagen aus dem Jahr 1995 untermauern, bestünde. Gleichzeitig wurde jedoch festgehalten, dass die Anforderung, die Materialien "in einer Sprache, die der Angeklagte versteht" bereitzustellen, auch die Anfertigung schriftlicher Übersetzungen der Verhandlungsprotokolle umfasse. Dies stimme mit vorherigen Entscheidungen der Strafkammern in diversen anderen Verfahren überein; insbesondere in Fällen, in welchen sich die Angeklagten wie Karadžić selbst verteidigen. Angesichts der Wichtigkeit dieser Materialien, sowie der Tatsache, dass die Übersetzung dazu dienen solle, der Verteidigung einen "effizienten Gebrauch der Unterlagen" zu erlauben, wäre die ausschließliche Bereitstellung von Audioaufnahmen der Simultanübersetzung im vorliegenden Fall nicht ausreichend, um die Verpflichtungen der Anklage zu erfüllen. Konkret müsse die Anklage daher sämtliche Zeugenaussagen, welche die überarbeitete Anklageschrift stützen würden, in einer schriftlichen b/k/s-Version an den Angeklagten übergeben. Die Strafkammer hält jedoch fest, dass dies nicht die Protokolle sämtlicher Verhandlungen umfasse, sondern lediglich unter Rule 66(A) der RPE offenzulegende Zeugenaussagen.

Der Einwand der Anklagevertreter, dass eine schriftliche Übersetzung mit sehr hohem finanziellem und zeitlichem Aufwand verbunden wäre, wurde zwar akzeptiert, jedoch nicht als Grund zur Ablehnung von Karadžićs Forderungen anerkannt. Vielmehr erging eine versteckte Rüge an die Anklagevertreter, weil diese trotz der nach Meinung der Strafkammer bereits in der Entscheidung vom 25. September 2008 deutlich gewordenen Verpflichtung zur schriftlichen Übersetzung bisher keine entsprechenden Schritte gesetzt, sondern im Gegenteil nahezu zwei Monate verstreichen habe lassen, bevor Einwände gegen die Entscheidung geäußert wurden. Während die Strafkammer der Überzeugung gewesen war, dass ihre Entscheidung entsprechend der Benachrichtigung der Anklage vom 29. Oktober 2008 bereits umgesetzt worden wäre und alle Materialien vollständig und gegebenenfalls übersetzt an den Angeklagten übergeben wurden, sei dies offenbar nach wie vor nicht der Fall, was zu einer deutlichen Verzögerung des Verfahrens führe.

Die Anklage wurde aufgefordert, den Vorgaben der Entscheidung vom 25. September 2008 nachzukommen und die Strafkammer anschließend zu benachrichtigen. Nachdem der bisherige Zustand nicht als "vollständige Offenlegung" anerkannt wird, läuft auch die vierzehntägige Frist, in welcher Karadžić seine Einwände gegen die überarbeitete Anklage einbringen kann, erst ab diesem Zeitpunkt.

siehe:

Decision on accused motion for full disclosure of supporting material (25.11.2008)