23.11.2008

Verbot von Medieninterviews

Am 18. November 2008 brachte Karadžić beim Präsidenten des ICTY, Patrick Robinson, ein Gesuch auf Aufhebung einer Entscheidung der Registry bezüglich des Besuchs der Journalistin Zvezdana Vukojević, welche ihn für einen Artikel in einer niederländischen Wochenzeitschrift interviewen wollte, ein. Die Registry hatte diesen Besuch in Reaktion auf einen am 16. Oktober 2008 entsprechend Rule 64bis der Rules of Detention gestellten Antrag am 11. November 2008 abgelehnt. Begründet wurde dies vor allem mit Sicherheitsbedenken, welche aus der möglicherweise folgenden öffentlichen Beschreibung der UN Detention Unit resultieren. Darüber hinaus könne nach Ansicht der Registry nicht ausgeschlossen werden, dass im Anschluss eine reißerische Berichterstattung erfolge, welche dem Angeklagten schaden oder das Mandat des ICTY untergraben könnte. Wie Karadžić in seinem Gesuch an den Präsidenten selbst ausführt, entspricht es generell der gängigen Praxis der Registry, keine Medieninterviews der Inhaftierten zu genehmigen.

In seiner Beanstandung dieser Entscheidung beruft Karadžić sich insbesondere auf das Recht auf Meinungsäußerung, welches ein grundlegendes Menschenrecht darstellt. Anhand von Beispielen der diesbezüglichen Praxis in diversen europäischen Staaten, vor allem aber US-amerikanischer Rechtssprechung, führt er aus, dass das Verbot von Interviews im vorliegenden Fall eine unangebrachte Einschränkung seiner Rechte darstelle. Karadžić gibt an, das Interview vor allem als Gelegenheit zur Darstellung seiner Sicht der Dinge, insbesondere des angeblich mit Richard Holbrooke getroffenen Abkommens, nützen zu wollen - was wohl nur bedingt geeignet ist, die Befürchtungen der Registry hinsichtlich potentiell reißerischer Berichte zu entkräften. Seiner Ansicht nach wurde Karadžić seit seiner Verhaftung in der medialen Berichterstattung "dämonisiert", wofür er unter anderem Pressemitteilungen des Chefanklägers des ICTY verantwortlich macht. Darüber hinaus habe Richard Holbrooke in den Medien Bedauern über die Tatsache geäußert, dass vor dem ICTY nicht die Möglichkeit bestünde, Karadžić mit der Todesstrafe zu belegen und weiters die Existenz des angeblichen Abkommens bestritten. Es sei daher Karadžić zufolge nur fair, dass er nunmehr Gelegenheit erhalte, diesen Darstellungen gegenüberzutreten und seine Sichtweise ebenso öffentlich darzulegen.

Die angeblichen Sicherheitsbedenken der Registry kontert Karadžić mit dem Verweis auf die auf der Website des ICTY verfügbaren, detaillierten Informationen zur UN Detention Unit, welche ihm zufolge "bei weitem umfangreicher sind als alles, was ein Medienvertreter auf seinem Weg zum Besucherraum sehen könnte". Darüber hinaus seien ohnehin bereits zahlreiche Medienberichte über den Aufbau und Tagesablauf der UN Detention Unit veröffentlicht worden - unter anderem sogar durch einen früheren Mitarbeiter des Büros des Präsidenten am ICTY, welcher das Gefängnis gemeinsam mit anderen Angehörigen des Gerichts besuchte und anschließend zwei (übrigens durchaus lesenswerte) Artikel im der Washington Post zugehörigen Online-Magazine Slate veröffentlichte. Es kann bezweifelt werden, dass Präsident und Registry über diese Veröffentlichungen besonders begeistert waren - eine Aufhebung der Entscheidung hinsichtlich Karadžićs Treffen mit Vukojević scheint jedoch in jedem Fall eher unwahrscheinlich.

Am 25. November 2008 übertrug Präsident Robinson die Entscheidung über den Antrag Karadžićs auf Grund der Befangenheit bzw. des Interessenskonflikt, welcher seiner Ansicht nach aus seiner früheren Rolle als Vorsitzender Richter des Pre-Trial-Bench im Verfahren gegen Karadžić erwächst, an den Vizepräsidenten des ICTY, Richter O-Gon Kwon.

siehe:

Order on request for reversal of denial of contact with journalist (25.11.2008)
Request for reversal of denial of contact with journalist (18.11.2008)
Julian D. Mortenson: Where Accused War Criminals Build Model Ships and Play Volleyball, Slate, 09.01.2006.
Julian D. Mortenson: "The Bizarro World in Which Slobodan Milosevic Eats Cake With a Bosnian Muslim", Slate, 10.01.2006.