Radovan Karadžić, die Anklagevertretung, sowie Stojan Župljanins Mitangeklagter Mićo Stanišić brachten am 15.12.2008 ihre Antworten auf Župljanins Antrag auf Zusammenlegung seines und Stanišićs Verfahrens (IT-08-91) mit jenem gegen Karadžić ein. Während letzterer eine Zusammenlegung wegen der seiner Ansicht nach dadurch für ihn zu erwartenden Vorteile auf Grund einer möglichen Arbeitsteilung hinsichtlich der Verteidigung befürwortet, legten die beiden anderen Parteien ihre Ablehnung des Antrags dar.
Die Anklage verweist zunächst darauf, dass keinerlei Regelungen innerhalb der RPE oder des Statuts Angeklagten das Recht übertragen, eine derartige Verfahrenszusammenlegung überhaupt zu beantragen; vielmehr bleibt die Entscheidung, welcher Angeklagte unter welcher Anklage vor Gericht gestellt wird, der Anklagevertretung überlassen. Sollte die Strafkammer dennoch zu dem Schluss kommen, den Antrag als gerechtfertigt zu betrachten, wird ersucht, die eingebrachten Argumente der Anklage gegen eine Zusammenlegung zu beachten. Diese stützen sich insbesondere auf den Verweis, dass die durch Župljanin angeführten Überschneidungen zwischen den beiden Anklagen nur verhältnismäßig gering sind. Die Vorwürfe gegen Karadžić - basierend auf der noch nicht angenommenen, abgeänderten Anklageschrift vom 22. September 2008, welche Župljanin als Grundlage seines Antrags heranzog - umfassen eine wesentlich größere Bandbreite innerhalb eines längeren Zeitraumes als jene gegen Župljanin und Stanišić. Daher wären die Überschneidungen zwischen den aufgerufenen Zeugen und Experten, sowie den vorgelegten Beweismitteln höchstwahrscheinlich deutlich geringer, als durch Župljanin in seinem Antrag angenommen. Vielmehr käme es im Fall einer Zusammenlegung zwangsläufig zu ausgedehnten Verfahrensphasen, welche für ihn und Stanišić völlig irrelevant wären; gleichzeitig würden die Länge und Komplexität des Verfahrens voraussichtlich deutlich erhöht, sowie die Möglichkeit der Anerkennung bereits gerichtlich festgestellter Fakten stark eingeschränkt, was eine eventuelle Zeitersparnis auf Grund der nur einmaligen Anhörung von Zeugen mehr als aufwiege. Dementsprechend wäre durch eine Zusammenlegung der beiden Verfahren auch keine Steigerung der Effizienz des Gerichts zu erwarten.
Darüber hinaus verweist die Anklage auf die deutlich unterschiedlichen Verfahrensphasen, in welchen sich die beiden Prozesse derzeit befinden. Auch wenn in beiden Fällen noch kein Termin für den Prozessbeginn festgelegt wurde, ist das Verfahren gegen Župljanin und Stanišić, nicht zuletzt angesichts der Einbringung einer überarbeiteten Anklage im Karadžić-Prozess, bereits bedeutend weiter fortgeschritten. Eine Zusammenlegung würde daher eine bedeutende Verzögerung für das Verfahren gegen Župljanin und Stanišić bedeuten.
Mićo Stanišićs Verteidigung argumentiert, dass der Antrag Župljanins schon alleine auf Grund der Tatsache, dass dieser die bisher noch nicht durch die Strafkammer angenommene, überarbeitete Anklageschrift als Basis heranziehe, sowie des Fehlens einer tatsächlichen Berechtigung eines Angeklagten, einen derartigen Antrag überhaupt einzubringen, abzulehnen wäre. Die weitere Argumentation deckt sich in weiten Teilen mit jener der Anklagevertretung und bezieht sich wie diese insbesondere auf das enorm unterschiedliche Ausmaß der Vorwürfe gegen Karadžić und jener gegen Župljanin und Stanišić.
Weiters betont Stanišić, sich bereits im März 2005, unmittelbar nach Veröffentlichung der Anklage gegen ihn, freiwillig gestellt zu haben und seitdem auf sein Verfahrne vorzubereiten. Während die Zusammenlegung mit dem Prozess gegen Župljanin im September 2008 trotz des damit verbundenen Verzögerung um etwa sechs Monate auf Grund der starken Überschneidungen der Vorwürfe akzeptiert wurde, verstoße die durch eine Zusammenlegung mit dem Karadžić-Prozess zu erwartende, neuerliche Wartezeit von mindestens acht Monate gegen das grundlegende Recht des Angeklagten auf ein Verfahren ohne unangemessene Verzögerung. Auch die Tatsache, dass Karadžić nicht durch einen Rechtsbeistand vertreten wird, könne nach Ansicht von Stanišićs Verteidigung sehr wahrscheinlich zu einer weiteren Verlängerung des Prozesses beitragen.
Auf Basis der Überlegung, dass innerhalb eines zusammengelegten Prozesses die Entscheidungen eines Verteidigungsteams nicht von vornherein auch für das andere gelten dürften, weist Stanišić darauf hin, dass die Strafkammer seines Erachtens in jedem Fall nur hinsichtlich des Antragsstellers Župljanin über eine Zusammenlegung entscheiden solle. Sofern dieser Antrag tatsächlich positiv bescheidet werde, könne die vorliegende Eingabe der Verteidigung Stanišićs daher als Antrag auf Trennung seines Verfahrens von jenem gegen Župljanin oder alternativ auf Wiederaufhebung der Zusammenlegung vom September 2008 gewertet werden. Dies liefe bei entsprechenden Entscheidungen der Strafkammer letztendlich auf ein einzelnes Verfahren gegen Stanišić, sowie einen gemeinsamen Prozess gegen Karadžić und Župljanin hinaus. Angesichts der Komplexität und des Umfangs des Verfahrens gegen Karadžić scheint eine positive Bescheidung des Antrags auf Zusammenlegung durch die Strafkammer jedoch ohnehin mehr als unwahrscheinlich.
siehe:
Karadzic response to joinder motion (15.12.2008)