In einer Entscheidung vom 26. März 2009 gab die Strafkammer einem Antrag der Anklagevertretung vom 17. Februar 2009 statt, welcher die Festlegung der Sprache, in der Beweismittel nach Rule 66(A) der RPE an den Angeklagten offengelegt werden müssen, betraf.
Nach Darstellung der Anklage sei angesichts der Tatsache, dass der Angeklagte 1974 für ein Jahr an einer US-amerikanischen Universität studiert, während des Bosnienkrieges mehrmals lange, englischsprachige Interviews gegeben und Verhandlungen mit internationalen Diplomaten geführt habe, offensichtlich, dass er über ausreichende Englischkenntnisse verfüge, um Unterlagen in dieser Sprache zu verstehen. Auch der Umstand, dass Englisch innerhalb des Teams der Verteidigung offenbar eine wesentliche Arbeitssprache darstelle - was nicht zuletzt mit Verweis auf einen diesbezüglichen Weblog-Eintrags eines unentgeltlichen Mitarbeiters Karadžićs, in welchem Gespräche mit dem Angeklagten über seinen Prozess und politische Sachverhalte in englischer Sprache beschrieben werden, belegt wurde - sowie die zahlreichen englischen Eingaben des Angeklagten an das Gericht, wurden zur Untermauerung dieser Einschätzung herangezogen. Die Anklage hatte dementsprechend gefordert, dass Englisch in der bereits in einer Entscheidung vom 25. September 2009 und einer weiteren Entscheidung vom 25. November 2009 behandelten Frage der Übersetzung von Beweismitteln endgültig und eindeutig als "Sprache, welche der Angeklagte versteht" entsprechend Rule 66(A) der RPE festgelegt werde.
Nachdem die Entscheidung ungeachtet der durch den Angeklagten am 20. März 2009 eingebrachten Darstellung, dass ihm trotz vorhandener Sprachkenntnisse das Verständnis rechtlicher Sachverhalte in englischer Sprache unangemessen schwer fiele, im Sinne der Anklage getroffen wurde, ist diese somit von ihrer bisherigen Pflicht, sämtliche relevanten Unterlagen und Tonmitschnitte in b/k/s zu übersetzen, entbunden. Darüber hinaus werden die Fristen für Eingaben und Anträge des Angeklagten in Zukunft ab dem Zeitpunkt der Veröffentlichung des jeweils damit in Zusammenhang stehenden Schriftstücks in englischer Sprache festgesetzt, nachdem keine vorhergehende Übermittelung einer übersetzten Fassung mehr notwendig ist.
Am 06. April 2009 reichte Radovan Karadžić einen Antrag auf Berufung gegen die Entscheidung der Strafkammer ein. Ihm zufolge habe die Kammer geltendes Recht in falscher Weise angewandt, da sie es im Rahmen der Entscheidungsfindung verabsäumte, zwischen den Bedürfnissen eines durch einen Anwalt vertretenen Angeklagten, und jenen eines selbstrepräsentierten Angeklagten zu unterscheiden. Seiner Ansicht nach müsste letzterer zur effektiven und sinnhaften Durchführung seiner Verteidigung komplexe Zusammenhänge vollinhaltlich nachvollziehen und hätte dementsprechend vergleichsweise größere Bedürfnisse hinsichtlich der bestmöglichen Verständlichkeit von Dokumenten und Unterlagen. Darüber hinaus habe sich die Kammer zur Beurteilung seiner Englischkenntnisse primär auf bereits Jahre zurückliegende Ereignisse gestützt, sodass ihre Einschätzung nicht seinem aktuellen Kenntnisstand entspräche. Die beiden für eine Berufung gemäß Rule 73(B) erforderlichen Vorgaben sieht Karadžić auf Grund der enormen Ineffizienz, welche aus einer Vorbereitung seiner Verteidigung basierend auf ausschließlich englischsprachigen Dokumenten entstünde, sowie der potentiellen Gefahr für den unstrittigen Ausgang des Verfahrens, welche aus einer möglichen späteren Neubeurteilung erwächst, für erfüllt an.
Die Anklagevertretung gab am 08. April 2009 bekannt, dem Berufungsantrag nicht ablehnend gegenüber zu stehen.
siehe:
Accused's application for certification to appeal decision on languages (06.04.2009)
Decision on prosecution motion seeking determination that the accused understands English for the purposes of the statute and the rules of procedure and evidence (26.03.2009)
Accused's response to prosecution motion seeking determination that he understands english (20.03.2009)