17.02.2009

Überarbeitete Anklage teilweise angenommen

Der durch die Anklagevertretung am 22. September 2008 eingereichte Antrag auf Annahme der überarbeiteten Anklageschrift wurde durch die Strafkammer am 16. Februar 2009 großteils angenommen und somit die Erlaubnis zur Erstellung des "Second Amended Indictment" erteilt. Abgelehnt wurde auf Grund der unzureichenden prima facie-Beweislage lediglich die Anfügung von drei Fällen mutmaßlicher Ermordungen zur Untermauerung der Anklagepunkte 3 bis 6.

Im Gegensatz zur bisherigen Anklageschrift vom Mai 2000 umfasst die nun gültige Fassung nicht nur einen, sondern zwei Anklagepunkte wegen Völkermords - einerseits bezogen auf die in Bosnien und Herzegovina zwischen 1992 und 1995 verübten Verbrechen, sowie andererseits davon unabhängig auf die Ereignisse in Srebrenica im Juli 1995. Die in der ursprünglichen Anklage enthaltenen Anklagepunkte "Beihilfe zum Völkermord" und "Schwere Verstöße gegen die Genfer Konventionen" wurden nicht übernommen, sowie die Anzahl der bosnisch-herzegovinischen Gemeinden, in denen verübte Verbrechen berücksichtigt werden, deutlich verringert, um insgesamt eine Konzentration auf die schwersten Vorwürfe und damit eine Straffung des Verfahrens zu erreichen.

Die von Karadžić in seiner Eingabe vom 28. Jänner 2009 angeregte Kürzung der Anklageschrift auf Grund ihrer ihm zufolge zu großen Komplexität und Bandbreite wurde von der Strafkammer abgelehnt. Wie die Anklage in ihrer Antwort auf Karadžić Eingabe vom 04. Februar 2009, kam auch sie zu dem Schluss, dass der aktuelle Zeitpunkt bzw. die entsprechenden Vorgaben in Rule 50 der RPE nicht geeignet seien, um eine derartige Veränderung des eingerechten Entwurfes auch nur grundsätzlich zu erlauben.
Die Strafkammer äußerte erneut "Überraschung und Enttäuschung" darüber, dass die Anklagevertretung erst jetzt, nach einer Ruhephase von acht Jahren in welcher kein Versuch einer Modifikation oder Bereinigung der Anklage unternommen wurde, eine überarbeitete Fassung eingereicht habe. Nachdem diese nicht nur eine Eingrenzung der Anklagepunkte, sondern zugleich auch eine Ausweitung der mutmaßlichen kriminellen Verantwortung des Angeklagten mit sich bringe, entstehe daraus ein wesentliches Risiko einer zusätzlichen Verzögerung des Verfahrens. Die Argumentation der Anklage, dass dadurch keine potentiellen Nachteile für den Angeklagten entstünden, da durch die Anerkennung bereits in anderen Verfahren gerichtlich festgestellter Fakten ("adjudicated facts") wiederum Zeit eingespart werden könne, weist die Strafkammer zurück, nachdem diese - durch die Anklage eingereichten - Fakten im Fall ihrer Anerkennung zwangsläufig zu einer Ausweitung seiner strafrechtlichen Verantwortung beitragen würden. Die Strafkammer nimmt jedoch an, dass es insgesamt trotzdem nicht zu einer Beeinträchtigung des Rechts des Angeklagten auf einen Prozessbeginn ohne unangemessene Verzögerungen kommen werde. Angesichts der Tatsache, dass sich Karadžić nicht grundsätzlich gegen Einzelheiten der überarbeiteten und verbesserten Fassung ausgesprochen hat, kommt die Strafkammer zu dem Schluss, dass die Vorteile einer Anerkennung der überarbeiteten Anklageschrift die genannten Nachteile überwiegen.

Die Anklagevertretung wurde angewiesen, die offizielle Anklageschrift bis 18. Februar 2009 zu erstellen. Für den 20. Februar 2009 wurde um 14:15 anstelle der geplanten Status Conference eine weitere Anhörung vereinbart, in deren Rahmen Karadžić die Möglichkeit erhält, sich bezüglich der neuen Anklagepunkte schuldig oder nicht schuldig zu bekennen. In weiterer Folge hat Radovan Karadžić bis 23. März 2009 Zeit, mittels so genannter "preliminary motions" Einwände gegen die Zuständigkeit und Jurisdiktion des Tribunals, sowie die Form der Anklageschrift an sich zu erheben.

siehe:

Decision on prosecution motion to amend the first amended indictment (16.02.2009)