02.02.2009

Dritte Statuskonferenz

Am Montag, 19. Jänner 2009, wurde die dritte Status Conference im Verfahren gegen Radovan Karadžić abgehalten. Wie bereits im Zuge der bisherigen Zusammenkünfte aller am Prozess beteiligten Parteien, drängte Pre-Trial-Richter Iain Bonomy erneut auf eine zügige Durchführung des Verfahrens, welches jetzt, nach Abschluss der langwierigen Übersetzungsarbeiten entsprechend der Entscheidung der Strafkammer vom 25. November 2008, endlich in schnellerem Tempo fortschreiten solle.

Die Vertreter der Anklage lieferten genauere Informationen zu Umfang und Inhalt der am 14. Jänner 2009 vollständig in b/k/s offengelegten Materialien zur Untermauerung der aktuellen und der überarbeiteten Anklageschrift. Die Offenlegung erfolgte in drei Paketen mit insgesamt ca. 4500 Seiten, darunter unter anderem die Aussagen dreier Zeugen, welche über Insider-Informationen zu den Ereignissen in Srebrenica 1995 verfügen, also beispielsweise ehemalige Armeeangehörige oder Politiker, sowie diverser Experten und Augenzeugen bzw. Angehöriger von Opfern.
Karadžić kündigte an, einen Berufungsantrag gegen die Anweisungen der Strafkammer an die Anklage zur Dokumentation des Fortschritts der Offenlegung stellen zu wollen, da diese nicht sämtliche von ihm geforderten Angaben zur Anzahl der potentiell entlastenden Materialien unter Rule 68 der RPE, welche zugleich auch unter Rule 70(B) fallen, umfassen würden.

Ebenso besprochen wurden diverse weitere Eingaben des Angeklagten, sowie die diesbezüglichen Entscheidungen der Strafkammer. Während der Großteil inzwischen bereits veröffentlicht wurde, kündigte Richter Bonomy an, dass die Entscheidung hinsichtlich der Akzeptanz von gerichtlich bereits anerkannten Fakten ("adjudicated facts") bis nach jener über Annahme oder Ablehnung der überarbeiteten Anklage vertagt werden würde; ebenso werde Karadžićs Antrag auf ein Interview mit einem potentiellen Zeugen der Verteidigung bis nach der diesbezüglich relevanten Entscheidung der Berufungskammer über die beantragte Offenlegung von zusätzlichen Unterlagen in Zusammenhang mit dem Holbrooke-Abkommen aufgeschoben. Karadžić verwies darauf, dass ihm durch die Anklage nach wie vor wichtige Unterlagen in Bezug auf das angeblich geschlossene Immunitätsabkommen vorenthalten würden, darunter beispielsweise Protokolle relevanter Gespräche zwischen der ehemaligen Chefanklägerin Louise Arbour und US-General Wesley Clark, sowie diverser Interviews und Gespräche mit der früheren Präsidentin der Republika Srpska, Biljana Plavsić. Auch wenn diese drei Personen nicht bei dem eigentlichen diplomatischen Treffen, welches zur Unterzeichnung des Abkommens führte, anwesend waren, seien diese Unterlagen dennoch relevant. Seine Überzeugung, dass sich die von ihm angesprochenen Protokolle in Besitz der Anklage befinden würde, begründete Karadžić unter anderem durch entsprechende Aussagen der derzeit wegen Missachtung des Gerichts angeklagten ehemaligen Mitarbeiterin von Chefanklägerin Carla Del Ponte, Florence Hartmann. Richter Bonomy empfahl Karadžić, gegebenenfalls Anträge an die Strafkammer zu stellen, welche spezifisch um Offenlegung dieser Dokumente ansuchen und damit größere Aussichten auf Erfolg hätten, als der durch ihn am 05. November 2008 eingebrachte, vergleichsweise breit formulierte Antrag. Er wies jedoch weiters darauf hin, dass Karadžić auch damit eventuell bis zur Entscheidungsfindung der Berufungskammer warten solle, um eine unnötige Verkomplizierung zu vermeiden.

Karadžić forderte, dass die Anklage in Bezug auf die Offenlegung von geforderten Beweismitteln an die Verteidigung großzügiger sein solle, anstatt eine Übergabe erst zu ermöglichen, wenn er spezifische Unterlagen anfordere, was in Unkenntnis der vorhandenen Materialien schwierig sei. Wörtlich bezeichnete er diese ihm seiner Ansicht nach aufgezwungene Vorgangsweise als "Schüsse aus einem Scharfschützengewehr, um etwas zu treffen, das er nicht sehe."

Abschließend sprach Karadžić noch angeblich wiederholte Besuche internationaler Truppen bei seiner Familie in Bosnien und Herzegovina an, welche seiner Meinung nach stattfinden, um seine Verteidigung zu stören. Er habe versucht, diese Angelegenheit ohne Miteinbeziehung der Strafkammer durch Gespräche mit dem Hohen Repräsentanten zu lösen, welcher jedoch über keine Informationen in Zusammenhang mit diesem Vorgehen der NATO verfügte. Laut Karadžić hätten die NATO-Truppen angegeben, auf Anordnung des ICTY die Suche nach den beiden letzten flüchtigen Angeklagten vor dem ICTY durchzuführen, sowie auch Unterlagen in Zusammenhang mit seiner finanziellen Situation mitgenommen, und zugleich seine Familie eingeschüchtert. Richter Bonomy bedauerte dies, konnte jedoch im Rahmen dieser ersten Schilderung keine ausreichende Verbindung zur Tätigkeit des Tribunals und auch keine Möglichkeit zur Einflussnahme feststellen.

Laut Anordnung von Pre-Trial-Richter Bonomy wird die nächste Status Conference am 20. Februar 2009 um 14:15 abgehalten.

Transcript

siehe:

Order scheduling a status conference (13.02.2009)